Borderline Persönlichkeit

Sprunghafter Persönlichkeitsstil

Merkmale

  • ständige Achterbahn der Gefühle; von Gefühlen getrieben
  • schnelle, unvorhersehbare Stimmungswechsel
  • keine Kontrolle über den eigenen emotionalen Zustand; leidet darunter sehr
  • idealisiert den Partner, Chef etc. und verlangt von ihnen gleichzeitig ungeteilte Aufmerksamkeit
  • erlebt romantische Beziehungen extrem intensiv und überschwenglich
  • zeigt, was er fühlt; agiert und reagiert sehr emotional
  • spontan, hemmungslos, risikofreudig
  • lebhaft, kreativ
  • einnehmendes Wesen
  • aufgeschlossen, phantasievoll
  • bereit, Neues zu erleben
  • lacht und weint leicht und offen
  • sieht Liebesbeziehung nicht als zufällig sondern als vorherbestimmt und etwas magisches an
  • Beziehung wird zum Mittelpunkt des Lebens
  • braucht von anderen die gleiche intensive Aufmerksamkeit und Leidenschaft, die er ihnen zukommen läßt
  • Zurückweisung bedeutet Ende der Welt
  • für Vergnügungen, Neues, Sensationen empfänglich
  • probiert und experimentiert gerne
  • plant nicht gern vorraus
  • Impulsivität bis zur leichtsinnigen Zügellosigkeit
  • gibt Geld lieber sofort aus, statt zu sparen
  • hat Mühe, Begierden zu widerstehen (auch Drogen)
  • fließende Indentität; findet sich leicht in neuen Rollen und Umgebungen zurecht
  • ist sich seiner Identität nicht immer sicher
  • findet nicht heraus, was er im Leben für eine Rolle spielt o. fühlt sich innerlich leer
  • „borgt“ sich die Identität vertrauter Menschen; schließt sich religiösen Gruppen an

Neuroanatomische Korrelate:

  • zentral serotonerge Minderfunktion
  • Dysfunktionen im orbitofrontalen, dorsomedialen u. dorsolateralen präfrontalen Cortex
  • Volumenreduktion der Amygdala um durchschnittlich ca. 13%
  • Volumenreduktion des Hippocampus um durchschnittlich ca. 11%
  • Volumenreduktion im anterioren Cingulum
  • erhöhtes Volumen im Hypothalamus (korreliert mit der Schwere der kindlichen Traumatisierung

Streßursachen:

  • Beziehungsprobleme aller Art
  • Versuch anderer, Distanz zu wahren o. herzustellen
  • drohende Ablehnung, Zurückweisung

Streßreaktionen:

  • kehrt dem Partner den Rücken und sucht sofort eine neue intensive Beziehung

wichtigste Lebensbereiche:

  • Beziehungen, Gefühle, Selbstbeherrschung

günstige Berufe:

  • Schauspieler
  • Kritiker
  • Richter

Günstige Partner:

  • Gewissenhafter Persönlichkeitsstil
  • wachsame Eigenschaften
  • Exzentrischer Persönlichkeitsstil
  • Sensibler Persönlichkeitsstil

Ungünstige Partner:

Ursachen / Risikofaktoren

  • Genetik

emotional instabile Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.3)

Borderline-Persönlichkeitsstörung BPS (DSM-IV)

Durchgängiges Muster von Instabilität im Bereich der Stimmung, der Beziehungen und des Selbstbildes.

  • starke Sehnsucht nach zwischenmenschlicher Nähe und gleichzeitig große Angst davor führt zu sehr intensiven, aber äußerst instabilen zwischenmenschlichen Beziehungen im steten Wechsel zwischen Überidealisierung und Abwertung;
    • extreme Eifersucht
    • Stürmische Beziehungen, von Streit geprägt
    • Plötzliche Beziehungsabbrüche
  • ausgeprägte Stimmungsänderungen
    Objektiv banale Anläße können zu stärksten positiven oder negativen Emotionen und impulsiven Handlungen führen. Dies kann im raschen Wechsel geschehen. In einer Sekunde himmelhochjauchzend, in der nächsten zu Tode betrübt. Der Alltag wird zur Achterbahn der Gefühle. Das innere Chaos ist nur schwer oder gar nicht zu kontrollieren.
  • übermäßig starke Wut oder Unfähigkeit, diese zu kontrollieren:
    • häufige plötzliche Wutausbrüche oft ohne für Außenstehende sichtbaren Grund
    • laut werden, Gegenstände zerbrechen
    • Handgreiflichkeiten, Gewalt gegen andere
  • Impulsivität bei mind. zwei potentiell selbstschädigenden Aktivitäten (Geldausgeben, Sexualität, Substanzmißbrauch, Ladendiebstahl, rücksichtsloses Fahren, Freßanfälle)
  • wiederholte Suiziddrohungen
  • Selbstverletzungen, Suizidversuche
  • ausgeprägte u. andauernde Identitätsstörung; Unsicherheit in mind. zwei Bereichen: Selbstbild, sexuelle Orientierung, langfristige Ziele, Berufswünsche, Art der Freunde/Partner, persönliche Wertvorstellungen:
    Mit dem Selbstbild schwanken auch Wünsche und Ziele ständig. Folgen sind z.B.:
    • häufiger Wechsel des Arbeitsplatzes
    • häufig wechselnde Einstellung zum Partner o. häufig wechselnde Partner
    • wechselnde sexuell Ausrichtung
  • häufig schwer auszuhaltendes Gefühl der inneren Leere und Langeweile
    Versuche, die Leere zu füllen und „überhaupt etwas zu spüren“ führen zu oft extremen Kompensationstaktiken:
    • Selbstverletzung (Ritzen, sich schlagen, Verbrennungen etc.)
    • riskantes Verhalten, Herbeiführen (lebens)gefährlicher Situationen (Drogenmißbrauch, Promiskuität, Begehen von Straftaten etc.)
  • Gefühl der Minderwertigkeit
    Verzweifeltes Ringen um Lob, Anerkennung, Akzeptanz, Nähe und Liebe durch Bemühen um gute Noten, gute Arbeitsleistung und Nähe in zwischenmenschlichen Beziehungen. Dies ist der frustrane Versuch, fehlende Selbstliebe und fehlendes Selbstbewußtsein im Inneren durch Anerkennung und Liebe von außen zu kompensieren.
  • furchtbare Angst, alleine zu sein; Verzweifeltes Bemühen, ein reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern:
    • Hinterher telefonieren, Nachrichten hinterlassen
    • Büro/Wohnung nicht verlassen wollen, Anklammern
    • Betteln, Suiziddrohungen
    • Typische Aussage: „Ich tue alles was Du willst“
  • extremes Schwarz-Weiß-Denken
  • Dissoziation als Folge traumatischer Kindheitserlebnisse
  • Derealisation
  • Vorübergehende, stressabhängige paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome:
    • z.B. Depersonalisation und Derealisation
    • z.B. Gefühl, andere hätten es auf einen abgesehen, könnten Gedanken lesen

weitere Merkmale:

  • lebt in ewiger seelischer Not
  • Verzweiflung, Wut, Raserei, Haß auf sich selbst
  • Angst, Arroganz, Unsicherheit
  • Gefühl der Leere und Instabilität
  • klammernde Abhängigkeit
  • herausfordernder Starrsinn
  • gewaltsame selbstschädigende Impulse
  • zerstört die Beziehungen, ohne die er nicht leben kann
  • Es gibt keine Möglichkeit für den Partner, den Betroffenen ausreichend von seiner Liebe zu überzeugen! Der Betroffene sucht verzweifelt die bedingungslose Liebe, die er als Kind von seinen Bezugspersonen hätte erfahren müssen. Diese kann und soll er aber so in einer Partnerschaft nicht finden.

Einteilung

Impulsiver Typ (ICD-10: F60.30)

  • starke Einschränkung der Emotionskontrolle
  • handelt oft unüberlegt und energisch
  • bringt sich oder andere ggf. in Gefahr

Borderline-Typ (ICD-10: F60.31)

  • stark ausgeprägte Störung in sozialen Beziehungen

Epidemiologie

Prävalenz: 1-2%
Suizidrisiko: 7% (Suizidversuche 66%!)

Ursachen:

  • Genetik: BPS, Depression, Schizophrenie in Familie
  • Trauma in früher Kindheit (sexueller Mißbrauch 65%, körperliche Gewalt 60%)
  • Emotionale Vernachlässigung 40%
  • Fehlen einer Bezugsperson

gehäufte somatische Befunde:

  • verkleinerte Amygdala
  • Überreizung
  • Veränderungen im Hippocampus
  • verminderte Aktivität des Serotonergen Systems
  • geringere Reizschwelle für hypothaamisch-hypophysäre Streßachse und das cholinerge System

häufige Begleitdiagnosen:

  • Depressive Symptome 95%
  • Angststörungen 90%
  • Eßstörungen

Diagnostik

  • SKID-II(Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV Achse II)
  • IPDE(International PersonalityDisorderExamination) der WHO
  • Schweregradbestimmung bei BPS:
    • ZAN-SCALE (Zanarini, 2003)
    • BSL (Borderline-Symptom-Liste; Bohuset al., 2001, 2007)

Therapie

Psychotherapie

  • Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) nach Linehan
  • Mindfulness-based Therapy (MBT) nach Bateman & Fonagy
  • Schematherapie für BPS nach Young
  • Übertragungsfokussierte Therapie (TFP) nach Kernberg

Pharmakotherapie

  • „Off-Label“-Therapien
  • Nicht Behandlung der BPS per se, sondern nur Komorbiditäten und Kernsymptome
  • Beste Evidenz:
    • Atypische Neuroleptika (Reduktion von Angst, Wut, interpersoneller Sensitivtät)
    • Mood Stabilizer (Besserung von Impulsivität, Aggression, Ärger)
    • SSRIs eher inkonsistente Befunde (Besserung der affektiven Symptomatik,
      inkonsistente Befunde bezüglich Rückgang aggressiv-impulsiver Verhaltensweisen)
  • Keine Evidenz für Polypharmakologie
  • Verzicht auf Benzodiazepine
  • 50% Non-Responder

weitere Therapiemöglichkeiten

Omega-3-Fettsäuren

⇨ nachgewiesene Reduktion von Depressivität und Suizidalität [118.full-libre.pdf (d1wqtxts1xzle7.cloudfront.net)]
Reduktion von psychopathologischen Symptomen und Verbesserung des Funktionsniveaus [Amminger et alt 2013]
Reduktion von Impulsivität, selbstverletzendem Verhalten, Wut [Bellino 2014]

Hilfreiche Tipps zum Umgang mit Betroffenen

  • Keine Vorwürfe! – Der Betroffene handelt nicht vorsätzlich und ist nach emotionalen Ausbrüchen oft von Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen genung geplagt.
  • Während emotionaler Ausbrüche sind Zurückhaltung und Ruhe die sinnvollsten Maßnahmen.
  • Es müssen klare Regeln und Grenzen abgesprochen werden. Diese müssen konsequent Geltung behalten. Überschreitungen müssen kommuniziert werden und entsprechende Folgen nach sich ziehen.